Schweigen ist Silber, Reden ist Gold!

Mit dem Anspruch, einen Ort für das Gedenken an die Opfer sexualisierter Gewalt zu schaffen, ist die Idee gereift, diesen über die Anlage eines Gartens umzusetzen. So entstand die Konzeption, dem Thema mit einem offenen Freiraum zu begegnen. Ein Ausstellungs- und Begegnungsort soll entwickelt werden, der den landschaftlichen Rahmen für einen inneren, eingefassten Gartenraum bildet. Dieser thematisch umfasste Raum ist Markierung, behüteter Hort und imaginierte Leere zugleich. An ihm soll das bisher in Schweigen Gehüllte und durch Isolation Verdeckte geborgen und offengelegt werden. Das Ansprechen der Ereignisse und Missbrauchsverhältnisse erhält mit der Schaffung des Ortes einen institutionellen Rahmen, der die Wunden und Verletzungen im Sinne des Bergens zum Vorschein bringt und zugleich in seinem Inneren schützend umfasst. Der Garten ist in seiner kulturellen Bedeutung eingefriedeter Hort, der in seiner Lebendigkeit einer kontinuierlichen Pflege und Anteilnahme bedarf. Er ist aber auch zugleich Projektions- und Vorstellungsraum für eine individuelle Vergegenwärtigung, Wünsche und Hoffnungen sowie für gesellschaftliche Konstrukte und Utopien. Mit dem Bild des Gartens wird ein Landschaftsraum eröffnet, der die hier erwachte Erinnerung und das erweckte Imaginierte aufnimmt und als Topos in sich birgt.

Eingebunden in ein Betreiberkonzept bietet der öffentliche Garten Orte für Veranstaltungen, Ausstellungen, Zusammenkünfte und Informationsvermittlung. Neben der individuellen Aneignung und Eroberung wird der Garten somit zum Ort der Begegnung und gemeinschaftlichem Ereignis.  

Mit Orten wie diesem sollen Zeichen gesetzt werden, welche das Schweigen brechen. Es gilt einen Raum zu eröffnen und das Wort zu ergreifen, die Stimme zu erheben, sich öffnen und mitteilen zu können und nicht zuletzt Gehör zu finden.

Betreiberkonzept 

Der Garten wird konzipiert, kuratiert und unterhalten von dem Verein „GEBORgENGARTEN e.V.“. Er ist grundsätzlich öffentlich zugänglich und steht den Besucherinnen und Besuchern jederzeit offen. Lediglich eine niedrige Einfriedung mit einzelnen Toren zum nördlich verlaufenden Weg bildet beim Eintritt eine formale und inhaltliche Schwelle und verhindert zudem einen unkontrollierten Aufenthalt von Tieren. Über die Zugänge und Wege soll sowohl ein spontanes Eintreten und Entdecken als auch ein geplantes Aufsuchen und Erkunden des Ortes ermöglicht werden. Der Garten lädt dazu ein, sich durch den Aufenthalt und das Verweilen auf unterschiedlichste Weise mit dem Thema der sexualisierten Gewalt an Kindern auseinanderzusetzen. Verschiedene Bereiche und Räume eröffnen die inhaltliche Annäherung an das Thema, formulieren besondere Aneignungs- und Begegnungsformen, vermitteln Informationen zu spezifischen Aspekten und erzeugen Orte der kontemplativen Einkehr. Im Garten gibt es keinen vorgegebenen Rundweg und keine gelenkte Führung - die Besucherinnen und Besucher sollen den Garten selbst erkunden. 

Ausstellungen, Veranstaltungen 

Die räumlich-gestalterische Anlage des Gartens bildet zugleich den Rahmen für die weitere mediale Vermittlung von Informationen und Erkenntnissen in Form von Ausstellungen oder Veranstaltungen. Neben dem vorgesehenen Konzept einer Dauerausstellung auf unterschiedlichen medialen Ebenen bietet der Garten Raum für weitere temporäre Ausstellungen und künstlerisch-mediale Auseinandersetzungen, die durch den Verein kuratiert werden.
Des Weiteren können für kleinere Gruppen einzelne Führungen zu bestimmten Themen und Aspekten angeboten werden, die einen eigenen Einstieg in den Ort ermöglichen.
Eine kleine Platzfläche mit einem überdachten Bühnenbereich ermöglicht es, kleinere Veranstaltungen und Seminare im Freien durchzuführen. 

Gesamtkonzept

Der Baumhain und die Lichtung

Mit dem räumlichen Zusammenspiel von Baumraster und eingefasster Lichtung wird der gestalterische Rahmen der Gesamtanlage formuliert. Innerhalb der einheitlichen Wiesenfläche wird ein Hain aus Birken in einem gleichmäßigen Raster gepflanzt. Das Raster wird als übergeordnetes Schema gemäß den Himmelsrichtungen ausgerichtet, sodass es hinsichtlich der Anordnung der Baumpflanzung keinen Bezug zu Grenzen oder Elementen der Umgebung gibt. Die einzelnen Bäume werden in unterschiedlichen Größen gepflanzt, wodurch ein fluktuierendes, wachsendes Raster aus Birkenkronen entsteht. Die dichteren und lichteren Bereiche des Hains werden dabei durch die Gestaltung der inneren Lichtung bestimmt, sodass eine Wechselwirkung zwischen innerer Figur und einfassendem Baumhain entsteht.

Die sich zwischen den Birkenstämmen ausbreitende Wiesenfläche wird von einzelnen kleinen Wegeachsen durchzogen, die als Pfade mit Schotterrasen ausgebildet sind und die Zugänge mit den einzelnen Gartenbereichen verbinden. Vereinzelt können entlang dieser Pfade gemähte Zonen angelegt werden, in denen Sitzgelegenheiten oder kleine Installationen Platz finden.
Der Hain wird nach innen von einem geschwungenen Weg begrenzt, der den Rand der Lichtung begleitet. Als umlaufender Weg umfasst er die innere Figur der Lichtung und verbindet zugleich die Zugänge zu den aus der ebenen Lichtung auftauchenden sich kreuzenden Passagen. 

Die Passagenraute - #

Entlang von vier Achsen, die das Grundstück durchziehen, bilden eingerahmte Gänge innerhalb der Lichtung eine räumliche Raute. Im Grundriss zeichnet die Figur das graphische Bild des Doppelkreuzes nach und weist mit den Fluchten der beiden überlagerten Achsen über das Grundstück hinaus.

Die einzelnen Passagen umfassen im Zentrum des Gartens als leicht ansteigende Doppelwände einen inneren Raum, der keinen Eingang besitzt. Mit dem Schreiten durch die Passagen wird dieser Raum flankiert, wobei die unterschiedlichen Höhen der Wände sowie die offenen Fugen und Auslassungen in der Konstruktion unterschiedliche Einblicke in die innere Szenerie gewähren. Die Präsenz des inneren Ortes prägt somit den Aufenthalt in den Passagen. Die mit verschiedenen thematischen Aspekten besetzten, 1,2 m breiten Gänge durchdringen sich an den Kreuzungen gegenseitig. Ihre rahmenden Wände steigen hierbei von 40 cm bis zu 2,40 m an. Je nach Alter und Größe der Besucher/-innen wandeln sich die Passagen im Durchschreiten somit entsprechend dem eigenen Horizont von überschaubaren Grenzen zu abschirmenden, seitlich begrenzenden Gängen, die den Blick perspektivisch auf das offene Ende lenken.  

Der innere Garten

Ursprünglich und verschlossen, immanent und wertvoll, inbegriffen und bedeutend - unantastbar... 

Der von den Passagen eingefasste Raum bildet den inneren Ort des GEBORgENGARTENS - Er nimmt das kulturelle Motiv des gehegten Gartens auf und ist zugleich unbetretbar. Als Hortus conclusus bezeichnet er den abgeschlossenen umfassten Ort und bildet den Projektionsraum der eigenen Imagination eines jeden Einzelnen, der in die Passagen eintritt. Der innere Garten birgt die Quelle der Einbildungs- und Vorstellungskraft, aus der Figuren entspringen und Utopien entstehen - Er bleibt für den Moment der Hort, in dem verborgene Bedürfnisse auftauchen und sich versagte Wünsche spiegeln. Ein inniges Ereignis - einsam beseelt.

In der das Wesen des inneren Gartens bestimmenden, räumlichen Leere beginnt die Suche nach Bedeutung, Dimension und Maßstab. Die undefinierte Landschaft des plastischen Moosteppichs und das von ihm gerahmte diffuse Bild des Himmels bilden hierbei die Bühne, die Assoziationen weckt und Illusionen erzeugt. Die Phantasie des Betrachters erschafft in diesen feinen Texturen des Schauplatzes die jeweils eigenen Landschaften und Szenerien des inneren Gartens.

Die Strukturen, Farben und Formen der Bodenskulptur unterliegen dabei der Dynamik der Zeit und sind geprägt vom Wetter sowie den Tages- und Jahreszeiten. Zudem wird das durch die Oberflächentextur des Podestes hervorgerufene Himmelsbild mit ansteigendem Wasser innerhalb des Podestrahmens von dem sich darin spiegelnden Himmel überlagert. 

Der Aussichtspunkt 

Entfernen sich die Besucher entlang der Passage, die im weiteren Verlauf zurück auf den Rad- und Wanderweg führt, leitet eine Spur aus Stufen auf den bewaldeten Hang hin. Am oberen Ende des Hanges erweitern sich die Stufen im Anschluss an den oberen Wanderweg zu einer kleinen Plattform. Über die Form des Podestes und die Anordnung der Brüstungen wird der Blick zurück zum Garten gelenkt. Hier eröffnet sich eine Übersicht über die Gesamtanlage des Gartens und die Figur der Passagenraute. Durch das Freischneiden und Aufasten der Bäume auf dem Hang entlang der Blickachse wird ein weiterer fokussierter Einblick in den inneren Garten ermöglicht. 

Veranstaltungs- und Präsentationsformen

Die Großzügigkeit des Areals erlaubt es, für Gruppen angemeldete Führungen als Einstieg in die Thematik und den Ort anzubieten oder Seminare zu besonderen Aspekten durchzuführen. Hierfür bilden die Platzaufweitungen im Zugangsbereich Raum für Begegnungen und gemeinsames Zusammenkommen. Denkbar sind auch Kombinationen unterschiedlicher kleiner Veranstaltungsformen, wie Vorführungen, Vorträge, Konzerte und Darbietungen. Für bestimmte Präsentationen wird mit dem überdachten Bereich die Möglichkeit geschaffen, eine Bühne bzw. Terrassenfläche aufzubauen und diese im Rahmen kleinerer Events im Freien zu nutzen.